hr-Chronik 1923 bis 1932: Anfänge und erste Live-Übertragungen
Im Dezember 1923 wird die Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG gegründet. Sie startet den Sendebetrieb im April 1924. Die künstlerische Leitung übernimmt Dr. Hans Flesch, die Verwaltungsleitung Dr. Wilhelm Schüller.
7. Dezember 1923: Gründung der Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG
Mit einem Stammkapital von 100 Billionen Mark gründen fünf private Gesellschafter in Frankfurt am Main die Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG (SÜWRAG). Zu den Gründungsvätern gehören der Frankfurter Fotoindustrielle Dr. Carl Adolf Schleussner und auch Fritz von Opel.
1. April 1924: Start des Sendebetriebs
Nach der Radio-/Funk-Stunde AG in Berlin, der Mitteldeutschen Rundfunk AG in Leipzig und der Deutschen Stunde in München, beginnt die Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG (SÜWRAG) als vierte regionale Funkgesellschaft mit dem Sendebetrieb. Die künstlerische Leitung übernimmt Dr. Hans Flesch, die Verwaltungsleitung Dr. Wilhelm Schüller. Gesendet wird aus einem Studio im Postscheckamt in der Frankfurter Innenstadt. Das Programm umfasst zunächst lediglich musikalische Darbietungen, Vorträge und Nachrichten. Die monatliche Rundfunkgebühr beträgt zwei Reichsmark. In den folgenden Monaten erweitert der Südwestdeutsche Rundfunk sein Programmangebot: Neben literarischen Lesungen, religiösen Morgenfeiern und Opernübertragungen werden Sendungen speziell für Kinder und Frauen gestartet.
24. Oktober 1924: "Zauberei auf dem Sender"
Die SÜWRAG sendet das erste deutsche Hörspiel mit Titel "Zauberei auf dem Sender", geschrieben und inszeniert von Hans Flesch. Der Versuch einer Sendespiel-Groteske, so der Untertitel, wird – wie alle Programmteile – live übertragen. Ebenfalls im Jahr 1924 beginnt der Südwestdeutsche Rundfunk eine Reihe erfolgreicher Programm-Kooperationen mit externen Einrichtungen, darunter u. a. der Frankfurter Universität, der Volkshochschule und der Frankfurter Zeitung mit der "Stunde der Frankfurter Zeitung".
25. Januar 1925: Eröffnung des Nebensenders Kassel
In Kassel wird der erste Nebensender des Frankfurter Rundfunks offiziell eröffnet. Bereits im Monat davor wurden Versuchssendungen aus Kassel ausgestrahlt.
15. Mai 1925: Gründung der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft
In Berlin schließen sich sieben regionale Sendegesellschaften, darunter auch der Südwestdeutsche Rundfunk, zur Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) zusammen. Der Zusammenschluss erfolgt auf Druck des Reichspostministeriums, dem auch 51 Prozent der Gesellschaftsanteile übertragen werden müssen. Als Dachorganisation der Rundfunk-Sendegesellschaften übernimmt die RRG zentrale Aufgaben in den Bereichen Verwaltung, Finanzen und Technik. Geschäftsführer der RRG ist Kurt Magnus und Vorsitzender des Verwaltungsrates ist der spätere Reichsrundfunkkommissar Hans Bredow.
28. Juni 1925: Erste Live-Sportübertragung
Mit Paul Lavens Berichterstattung von einer Ruderregatta auf dem Main überträgt der Frankfurter Sender erstmals im deutschen Rundfunk eine Sportveranstaltung live.
4. März 1926: Staatliche Regelung des Rundfunks
Nachdem sich Reich und Länder auf die "Richtlinien über die Regelung des Rundfunks" geeinigt haben, erteilt das Reichspostministerium der SÜWRAG die endgültige Sendegenehmigung. Die neue Rundfunkordnung sieht die Einrichtung zweier staatlicher Aufsichtsorgane vor: Der politische Überwachungsausschuss, das Zensurgremium für politische Sendungen ab 31. August 1926 und der Kulturbeirat, zuständig für die Gestaltung des Kulturprogramms, wird am 14. Februar 1927 gegründet. Politische Nachrichten dürfen die Rundfunkgesellschaften nur über die vom Reichsinnenministerium gegründete Aktiengesellschaft "Drahtloser Dienst" (DRADAG) beziehen; Nachrichten der Reichs- beziehungsweise Länderregierungen, sogenannte Auflagenachrichten, müssen unverzüglich weitergeleitet und gesendet werden.
10. Juli 1926: Inbetriebnahme des Senders Heiligenstock
Der neue Frankfurter "Großsender" am Heiligenstock nimmt seinen Betrieb auf. Er hat eine Leistung von 1,5 kW.
8. Januar 1928: Musikalische Uraufführungen
Mit Paul Hindemiths "Kammermusik Nr. 7", einem Auftragswerk zur Einweihung der neuen Orgel des Frankfurter Senders, beginnt eine Reihe wichtiger Uraufführungen moderner Kompositionen. Unter anderem arbeiten Richard Strauss, Arnold Schönberg, Béla Bartók und Carl Orff für den Südwestdeutschen Rundfunk in Frankfurt.
30. Juni 1929: Intendantenwechsel
Hans Flesch verlässt den Sender und wird Intendant der "Funkstunde" in Berlin. Sein Nachfolger als künstlerischer Leiter wird Ernst Schoen, die Gesamtleitung übernimmt Wilhelm Schüller.
1. Oktober 1929: Gründung des "Rundfunk-Symphonie-Orchesters"
Der Südwestdeutsche Rundfunk übernimmt das Symphonie-Orchester der Stadt Frankfurt. Leiter dieses neu gebildeten Frankfurter "Rundfunk-Symphonie-Orchesters" wird Hans Rosbaud.
15. Dezember 1930: Umzug in das neue Funkhaus
Die Frankfurter Rundfunkgesellschaft zieht in das von Willi Cahn erbaute neue Funkhaus in der Eschersheimer Landstraße 33.
27. Juli 1932: Verstaatlichung des Rundfunks
Die Reichsregierung veröffentlicht die bereits einen Monat zuvor verabschiedeten "Leitsätze zur Neuregelung des Rundfunks". Ziel dieser Rundfunkreform ist die endgültige Verstaatlichung des deutschen Rundfunks. Anstelle der politischen Überwachungsausschüsse übernehmen Rundfunkkommissare die Programmkontrolle, die bisherigen Kulturbeiräte werden durch Programmbeiräte ersetzt. Am 30.9.1932 wird dem Südwestdeutschen Rundfunk die Konzession entzogen und die privaten Aktionäre werden zum Verkauf ihrer Anteile gezwungen. Am 1.2.1933 wird die Auflösung der Südwestdeutschen Rundfunk AG formell vollzogen und die SÜWRAG in eine gemeinnützige Gesellschaft umgewandelt. An der "Südwestdeutsche Rundfunk GmbH" ist das Reich durch die zwischenzeitlich verstaatlichte RRG mit 51 Prozent beteiligt, 49 Prozent halten die Länder.