hr2-kultur sendet Max Frischs "Homo faber" erstmals als Hörspiel Klassiker mit Starbesetzung
Zu Pfingsten sendet hr2-kultur eine Hörspielproduktion der Superlative: Die Hauptfiguren von Max Frischs Klassiker "Homo faber", einem der meistgelesenen Werke des 20. Jahrhunderts, werden von den Schauspielstars Eva Mattes, Matthias Brandt und Paula Beer gesprochen.
Die von Hörfunkdirektor Heinz Sommer bearbeitete Fassung ist die erste Hörspielproduktion des Romans um den Ingenieur Walter Faber, der sich unwissentlich in seine Tochter Sabeth verliebt.
Regisseur Leonhard Koppelmann und die Musik der hr-Bigband versetzen die Hörerinnen und Hörer in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, der Handlungszeit des Romans. Warum dessen Kernaussage heute aktueller denn je ist, erklärt Heinz Sommer im Interview.
Was hat Sie als Autor dieser Hörspielversion an der Umsetzung von "Homo Faber" gereizt?
Heinz Sommer: Max Frischs Buch ist einer der Klassiker der Moderne. Ich war eigentlich sicher, dass es irgendwann schon einmal eine Hörspielversion gegeben haben müsste, aber wir – Redakteur Hans Sarkowicz, Regisseur Leonhard Koppelmann und ich – haben keine entdeckt. Das war natürlich ein erster Ansporn. Dann hat es mich aber auch gereizt, für die komplexe Struktur des Buches eine akustische Form zu finden. Letztlich gelang dies, so hoffe ich jedenfalls, mit der Aufspaltung des Erzählers in einen objektiven Part, also eine Art Autor, den wir auch Max genannt haben, und einen subjektiven – eben die Hauptfigur Walter Faber, aus dessen Perspektive Max Frisch seine Geschichte eigentlich erzählt. Und nicht zuletzt ist Homo faber natürlich eine ganz tolle Geschichte mit vielen interessanten Schauplätzen, großartigen Figuren und einer sehr spannenden Handlung.
"Homo faber" gilt als technikkritisches Werk, stammt jedoch aus einer Zeit, als der Düsenjet als Neuheit gefeiert wurde. Was kann die Facebook-Generation daraus mitnehmen?
Heinz Sommer: Ich würde den Aspekt der Technikkritik nicht überbetonen. Gewiss, er spielt eine Rolle, vor allem auch in der Rezeption des Buches. Aber man würde "Homo faber" nicht gerecht werden, wenn man das Buch auf diesen Aspekt verengt. Abgesehen davon hat sich die Problemstellung in dieser Hinsicht eigentlich nicht verändert, im Gegenteil: Manchmal denke ich, dass wir heute, wo Algorithmen unser Leben bestimmen und wir über die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz nachdenken, Max Frischs "Homo faber" aktueller denn je ist. Es geht ja nicht um die konkrete Sache, also den Düsenjet oder Facebook, sondern um das damit verbundene Denken, das Bewusstsein.
Was ist für Sie dann die Kernaussage des Werkes?
Heinz Sommer: Im Kern handelt Frischs Buch – wie einige seiner anderen Werke auch – von den Bedingungen für ein geglücktes Leben, und da steht die Frage der Akzeptanz der Endlichkeit allen Daseins im Mittelpunkt. Anders ausgedrückt: die Akzeptanz des Alterns und der Vergänglichkeit als Voraussetzung dafür, das Leben sinnvoll zu gestalten. Es geht also nicht so sehr um den ungewollten Inzest, sondern um eine Lebenseinstellung, die diesen Inzest überhaupt erst möglich macht. Und das ist eine schlicht zeitlose Problematik, denn auch mit Facebook altern wir immer noch, sind noch nicht unsterblich. Ich finde sogar, dass sich gerade aufgrund der gewaltigen medizinischen und technischen Fortschritte diese Frage heute, wo wir deutlich älter werden, fast noch mehr zugespitzt hat.
Die hr-Bigband begleitet das Hörspiel musikalisch. Erwarten uns Stücke aus den fünfziger Jahren?
Heinz Sommer: Keine originalen, sondern Stücke, die so klingen, als ob sie zum Beispiel von Bill Evans, Miles Davies oder Django Reinhardt seien, jedoch ohne diese direkt zu kopieren. Schon beim Bearbeiten der Texte oder beim Schreiben begleiten mich immer musikalische Bilder und ich bin meinem Redakteur Hans Sarkowicz sehr dankbar, dass er immer die Umsetzung dieser Vorstellungen ermöglicht hat. Die von Frisch beschriebene Welt verbinde ich mit dem Jazz, dem Swing oder einer schon damals etwas angestaubten Unterhaltungsmusik. Zum Beispiel haben Jörg Achim Keller und die hr-Bigband ein wunderbares Ballroom-Orchester für die lange Schiffsreise kreiert und damit der Langsamkeit dieser Art des Reisens eine entsprechende musikalische Atmosphäre gegeben.
Weil die Langsamkeit der Schiffsreise eine zentrale Rolle im Roman spielt?
Heinz Sommer: Der fortschrittsgläubige Ingenieur Faber wählt aufgrund eines Zufalls zum ersten Mal für eine Dienstreise von New York nach Paris das Schiff, für ihn Relikt einer eigentlich schon fast vergangenen Zeit. Hier wird er vor allem mit zwei Dingen konfrontiert, die für ihn schwierig sind: unendlich viel Zeit zu haben und auf einen Raum beschränkt zu sein, den er nicht verlassen kann. Er läuft also permanent wie ein Tiger im Käfig auf dem Schiff herum. Zugleich stellt sich ihm aber sein eigentliches Problem, das Altern, durch die Konfrontation mit der Jugend. Für diese Atmosphäre der Langsamkeit, der Gediegenheit, des Eingesperrtseins passt die altertümlich anmutende Ballroom-Musik ganz ausgezeichnet. Nebenbei erinnert sie auch ein bisschen an die Titanic – und die Schiffspassage ist ja so etwas wie Fabers persönliche Reise in den Untergang.