Christopher Plass: Rückblick auf eine Korrespondentenkarriere In den Wogen der Weltpolitik
Über 30 Jahre lang berichtete Christopher Plass als hr-Hörfunkkorrespondent aus Madrid, Bonn, Berlin, Brüssel und Wiesbaden. Nun wirft der 62-Jährige den Anker und blickt zurück - auf Hardcore-Hauptstadt-Politik, die Nahost-Konferenz als Schlüsselerlebnis und einen persönlichen magischen Moment.
Ein Weltereignis wurde 1991 zum Schlüsselerlebnis für meine Korrespondentenlaufbahn, und am Anfang hatte ich gehörigen Bammel. In Madrid sollte die erste Nahost-Friedenskonferenz stattfinden, ein Welt-Ereignis. Der damalige hr-Hörfunkchefredakteur "FriFra" Friedrich Franz Sackenheim beauftragte mich, einen ARD-Pool mit namhaften Radiokollegen und damit eine reibungslose Berichterstattung zu organisieren. Uff, wer war ich denn? Ein Nachwuchsredakteur aus dem "Zeitfunk". Plötzlich sollte ich, das Greenhorn, ARD-Größen wie Claus Kleber (damals noch RIAS) aus Washington, Marcel Pott aus Amman, Volker Mauersberger aus Madrid und anderen sagen, was sie bitteschön wann für welchen ARD-Sender liefern sollten. Das Ganze war auch technisch ein Abenteuer. Wir sind manchmal verzweifelt, wenn die Post-Leitung von Spanien nach Deutschland zu spät oder gar nicht geschaltet wurde. Heute ein Klick, damals eine Zitterpartie.
Stürmisch in Madrid, Bonn, Berlin, Brüssel und Wiesbaden
Die Nahost-Konferenz brachte politisch wenig, aber ich hatte viel davon. Der Berichterstatter-Pool arbeitete problemlos von früh bis spät: Belastbarkeit und Improvisation waren für alle das Erfolgsrezept. Das habe ich mir für alle Zeiten bewahrt, egal wie hoch die Wogen schlugen – in Madrid, Bonn, Berlin, Brüssel oder Wiesbaden.
Improvisieren hilft dem Korrespondenten auch im Privaten. Nach fünf Jahren muss man in der Regel den Posten räumen. Für meine Frau und mich hieß das: jeweils Wohnung suchen, umziehen, Freunde finden, neues Berichtsgebiet durchdringen, regionale Eigenarten verstehen. In Madrid lebten wir lange bei Kerzenschein, weil der Strominstallateur sich Zeit ließ. Im Osten Berlins fühlten wir uns 1999 als "Wessis aus Bonn" in unserem Mietshaus anfangs arg fremd. Als Rheinländer hing mein Herz ohnehin an Bonn.
Der schönste Korrespondeten-Platz für mich? Die Antwort: Jeder passte für mich jeweils in die Zeit. Madrid, Spanien (1992 bis 1996): Das war die Zeit der vielen Reportagen, oft unterwegs in diesem wunderbaren Land, das mir zur zweiten Heimat geworden ist. Eine der schönsten Erinnerungen: Barcelona mit seinem grandiosen Olympia-Sommer 1992.
Schwarze Kassen und rot-grüne Turbulenzen
Bonn und Berlin (1996 bis 2004): Das war Hardcore-Hauptstadt-Politik in turbulenten Zeiten – Kohl abgewählt, erste rot-grüne Bundesregierung, der umstrittene Bundeswehr-Einsatz auf dem Balkan, Regierungsumzug, die CDU-Spendenaffäre und Merkels Aufstieg. Viele Reisen in die Krisengebiete der Welt. Und technisches Neuland: in Bonn hatten wir Radioleute noch selbst Bänder geschnitten, in Berlin erhöhten Digitalschnitt und Selbstfahrer-Studios das Tempo. Politik und Berichterstattung wurden rastloser.
Reisereportagen nach langen Verhandlungsnächten
Nach Brüssel (2004 bis 2009) schickte man mich als Experten für Außen- und Sicherheitspolitik. Erst später erfuhr ich, dass es noch eine persönliche Beziehung gab. Ich habe am selben Tag Geburtstag wie das Brüsseler Wahrzeichen, das Atomium. In Europa habe ich so gerne gearbeitet, dass ich es thematisch auch weiterhin tun möchte. Als Ausgleich für EU-Strapazen mit langen Verhandlungsnächten habe ich gerne Reisereportagen über Belgien und die Niederlande gemacht, zwei liebenswerte Länder, über die viel mehr berichtet werden müsste. Wenn ich heute das Glockenspiel der Wiesbadener Marktkirche höre, in deren unmittelbarer Nähe das Landtagsstudio liegt, denke ich unweigerlich an die berühmte Glockenspielerschule im belgischen Mechelen, auch als Radioreportage verewigt.
Die Sprengkraft der hessischen Gemeindeordnung
Trotz aller Erfahrungen vorher: auch in Wiesbaden habe ich sehr viel neu gelernt. Politische Betroffenheit erlebt man hier sehr viel unmittelbarer als in den Raumschiffen Berlin oder Brüssel. Da hat die hessische Gemeindeordnung schnell mehr politische Sprengkraft als eine EU-Richtlinie. Und anders als auf anderen politischen Ebenen liest man sehr unmittelbar im Gesichtsausdruck des Gegenübers, dass ein Kommentar ins Schwarze getroffen hat. Egal wo: Wenn das Rotlicht im Radio-Studio anging, war das für mich wie ein magischer Moment. Jetzt "Rotlicht aus" nach mehr als dreißig Jahren: Dem Radio bleibe ich treu – jetzt als Hörer.