Redner bei Geheimtreffen Was verbindet Martin Sellner und die AfD?
Einer der Redner beim Potsdamer Geheimtreffen war Martin Sellner, ein führender Kopf der europaweit vernetzten Neuen Rechten. Welche Ideologie verbreitet Sellner? Welche Verbindungen gibt es zur AfD? Von Silke Hahne.
Der Rechtsextremist Martin Sellner ist mittlerweile nicht mehr nur in Österreich bekannt. Der frühere Sprecher der "Identitären Bewegung" Österreich gelte inzwischen als ein zentraler Stratege im deutschsprachigen Rechtsextremismus, so Bernhard Weidinger, Rechtsextremismus-Forscher beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien. Sellner sei einer, der vorausdenke und "große Entwürfe" mache. "Und er wird inzwischen ganz offensichtlich bis hinein in Parlamentsparteien rezipiert", so der österreichische Forscher.
Sellner tut dies mit Ideen wie etwa der sogenannten Remigration. Darüber schreibt der Rechtsextremist nach eigenen Aussagen gerade ein Buch. Und nutzt die Aufmerksamkeit durch die Correctiv-Recherche, um auf seinem Telegram-Kanal Werbung für sein Konzept von "Remigration" zu machen. In einem professionell produzierten Video erklärt Sellner, worum es ihm geht: "Eine pro-deutsche Migrationspolitik, eine Minus-Migration, eine Umkehrung der Migrationsströme, damit die Deutschen bestimmende Mehrheit im eigenen Lande bleiben."
Der Rechtsextremismus-Forscher Weidinger ordnet es so ein: "Man will sozusagen zurück zu einer völkischen Reinheit, die es nie gab, die man aber in eine idealisierte Vergangenheit projiziert."
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"In die gesellschaftliche Mitte diffundiert"
Zielgruppe dieser "Remigrations"-Politik können laut Sellner auch Menschen mit deutschem Pass sein, die nicht ausreichend "assimiliert" seien. In seinem Video taucht auch das Bild einer Familie auf: Ein hellblondes Paar mit drei hellblonden Kindern, die vor einem ländlichen Anwesen posieren. Das Bild hatte auch die Gruppe "Junge WerteUnion" vor Kurzem auf der Plattform X geteilt.
Rechte Propaganda verbreitet sich aber nicht nur im Internet rasend schnell. So weist Martin Sellner in seinem Reaktionsvideo etwa darauf hin, dass einige deutsche Politiker von Union, SPD und Grünen auch schon die Ausbürgerung von Menschen gefordert hätten.
Dass bestimmte extreme Begriffe, Ideen und Konzepte mittlerweile in die gesellschaftliche Mitte diffundiert seien, damit habe Sellner nicht ganz Unrecht, so Experte Weidinger: Selbst eine Idee wie die Ausbürgerung von Staatsbürgern gelte "im politischen Diskurs der Bundesrepublik offenbar nicht mehr als so jenseitig, dass sie gar nicht erst vorkäme."
Der politische Diskurs wird also auch jenseits der AfD von Ideen durchdrungen, die ursprünglich einmal nur von Rechtsaußen ventiliert wurden. Diese Normalisierung von rechten Konzepten sei genau das Ziel der Arbeit von Sellner und Co., sagt der Rechtsextremismus-Forscher: Sellner sage das auch immer wieder und ganz offen, so Weidinger. Es gehe ihm darum, bestimmte Begriffe zu etablieren. "Weil wir wissen, dass Forderungen erst sagbar werden müssen, damit sie einmal machbar sein können."
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"In die Flure der Parlamente gucken"
So weit die Idee von Ausbürgerungen schon vorgedrungen sein mag in den politischen Diskurs: Den rechten Kampfbegriff der "Remigration" haben bisher allen voran AfD-Politiker und AfD-Organisationen wie die "Junge Alternative" übernommen.
Zwar distanziert sich der AfD-Vorstand immer wieder von der extremen Rechten, auch von der "Identitären Bewegung". Dennoch gibt es immer wieder Kontakte und Treffen zwischen Akteuren aus diesen Kreisen sowie Politikern der AfD. Aus Sicht von Gideon Botsch von der Universität Potsdam ist die "Identitäre Bewegung" in Teilen sogar in der AfD aufgegangen.
So beschreibt der Rechtsextremismus-Forscher im rbb, dass die "Identitäre Bewegung" in Deutschland mittlerweile an Bedeutung verloren habe, aber: "Wenn wir gucken, was 'identitäre' Aktivisten heute tun, und wo das 'identitäre' Gedankengut sich heute findet, dann müssen wir in die Flure der Parlamente gucken. In die Flure der AfD-Fraktionen." Man sehe 'identitäre' Aktivisten oder Personen, die durch sie stark beeinflusst wurden, in den Mitarbeiterbüros der Abgeordneten der AfD. Eine Abgrenzung gebe es im Grunde nicht, so Botsch.
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Parteipolitik, Straßenaktivismus, Meinungsebene
Martin Sellner lehnt eine parteipolitische Betätigung hingegen ab. Er äußerte sich auch schon verächtlich über den Parlamentarismus. Was Sellner propagiere, sei vielmehr ein patriotischer Dreiklang, so der Wiener Politologe Weidinger: "Parteipolitik, Straßenaktivismus und dann sozusagen die mediale Ebene, die Meinungsebene." Jeder solle da "auf seiner eigenen Ebene das eigene Ding machen" - aber sehr wohl im Bewusstsein dafür, "dass man sowas hat wie eine gemeinsame Mission, die man arbeitsteilig verfolgt, und die man solidarisch verfolgt."
In dieses Muster passe letztlich auch das Treffen bei Potsdam - bei dem es neben Migration auch um die finanzielle Unterstützung von rechtem Aktivismus gegangen sein soll.