Prominente verlassen X in Österreich "Giftig, voller Lügen, aggressiv und deprimierend"
Vor zwei Jahren hat Elon Musk Twitter übernommen und zu X gemacht. Im US-Wahlkampf nutzte er die Plattform für Trump-Werbung. Jetzt haben Dutzende Prominente aus Österreich X aus Protest verlassen. Von Oliver Soos.
Am Sonntag um 18 Uhr war es so weit: der Hashtag lautete #eXit, ein Wortspiel für den Ausstieg aus der Plattform X. Dutzende österreichische Medienmacher und andere bekannte Persönlichkeiten legten ihre Accounts still - darunter die Buchautorin Ingrid Brodnig, der Chefredakteur des Falters, Florian Klenk, der Vizechefredakteur der Kleinen Zeitung, Michael Jungwirth und die Puls4-Infochefin Corinna Milborn.
Die Initiative kam von ORF-Fernsehmoderator Armin Wolf, der in Österreich bekannt dafür ist, Politiker durch gut vorbereitete Interviews in die Mangel zu nehmen. "Ich hatte seit einigen Wochen immer wieder darüber nachgedacht und hatte das Gefühl in den letzten Tagen, dass so eine Art Tipping-Point erreicht ist", sagt Wolf.
Plattform habe sich radikalisiert
In seinem eigenen Blog schreibt er, dass es mit Twitter, wie die Plattform früher hieß, lange "schön" gewesen sei. Doch in den letzten Jahren habe sich X "täglich immer weiter radikalisiert". Es sei "giftig, voller Lügen, aggressiv und deprimierend" geworden. Wolf sagt:
Die Plattform hat mich zuletzt tatsächlich sehr frustriert. Wohl auch deswegen, weil sie mich viele Jahre so sehr begeistert hat.
Der Journalist hatte einen der einflussreichsten Accounts in Österreich mit über 600.000 Followern. Er selbst räumt ein, "sehr, sehr viel Lebenszeit" auf Twitter verbracht zu haben. "Ich hätte mir meinen Job in den letzten 16 Jahren ohne Twitter gar nicht vorstellen können im tagesaktuellen Journalismus." So habe er dort viele interessante Leute kennengelernt. Doch nicht nur das. "Ich habe dort auch viel gelacht und mich sehr amüsiert und bin auf viele Dinge gestoßen, auf die ich sonst nie gestoßen wäre", erinnert sich der ORF-Moderator.
Wendepunkt durch Musks Übernahme
Doch seit der Übernahme durch Elon Musk vor zwei Jahren sei die Plattform toxisch geworden, so Wolf. Irre hätten X überflutet, Propaganda-Bots, Neonazis, Rassisten, Sexisten, Incels und Verschwörungs-Paranoiker. Deren Inhalte seien durch den Algorithmus nach oben gedrängt worden.
"Wenn ich in den letzten Wochen ein politisches Posting abgesetzt habe, hatte ich darunter Hunderte Irre", sagt der Journalist. Er sei mit dem Blockieren nicht mehr nachgekommen. "Ich hatte zuletzt mehr als 9.000 Accounts blockiert. Es war einfach nicht mehr lustig."
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Kritik am X-Besitzer
Musk selbst sei dabei wie der "Über-Troll" aufgetreten und habe auch Verschwörungstheorien verbreitet. Für viel Aufmerksamkeit sorgte ein Interview, das Musk mit Donald Trump im Wahlkampf bei X führte. Musk ließ Trump seine Falschbehauptungen unwidersprochen verbreiten - unter anderem über Migration, wo Trump mit völlig übertriebenen Zuzugszahlen hantierte.
"Der hat eine Propaganda-Bude daraus gemacht für seinen Freund Donald Trump. Und das finde ich problematisch bei jemandem, der sagt, sein oberstes Kriterium ist free speech", sagt Wolf. Zum "Über-Troll" mache ihn, dass der Algorithmus von X jeden Tweet von Musk automatisch am höchsten einstufe und Abermillionen Menschen anzeige.
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Alternative bei Bluesky
Wolf ist, wie viele andere genervte X-Nutzer, zu Bluesky gewechselt. Das sei so etwas wie Twitter vor zehn Jahren, sagt der Journalist. Es ist der neue Mikroblogging-Dienst von Twitter-Gründer Jack Dorsey. Hier hat Wolf statt 600.000 allerdings nur gut 30.000 Follower. Aber die Zahl wächst gerade noch relativ stark.